Die Serie der Kratzungen blau oszilliert motivisch zwischen Abstraktion und surrealer Landschaft. Ausgangspunkt der Arbeiten ist eine Reihe von Detailaufnahmen auf dem Gelände der Baumwollspinnerei in Leipzig. Mit den Kratzungen blau zieht Marko Lipuš zusätzliche Ebenen in die Fotografie ein, die sich einerseits wie Sperrfeuer vor den Bildraum legen, mit diesem aber auch ein ums andere Mal interagieren. Was so entsteht ist ein hybrider Bildraum, der nichts mehr mit der statischen Zentralperspektive der klassischen Fotografie gemein hat, sondern in dem sich die einzelnen Bild- und Realitätsebenen permanent verschränken. Der ursprüngliche Ort ist in der finalen Version der Serie allerdings nur mehr als ferne Referenz präsent. Die Färbung der Oberfläche erinnert an oxidierten Stahl und gemahnt an die industrielle Vergangenheit des Ursprungsortes der Serie, weniger indes als Spur denn als Symbol.
Trotz der eigentlich flächigen Kompositionen entwickeln die Bilder einen enormen Tiefensog, die dominierenden Blautöne funktionieren in Kombination mit der geringen Tiefenschärfe und den bräunlichen Flächen mitunter wie die Raumillusion in einer altmeisterlichen Landschaftsmalerei.
Marko Lipuš, geboren 1974 in Eisenkappel/Železna Kapla, lebt und arbeitet in Wien. Neben zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen veröffentlichte er mehrere Monographien, dokumentierte in Gruppenpublikationen und illustrierte Magazine und Tageszeitungen im In- und Ausland.